Reisebericht von unterwegs

Teil 8

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Da wir jetzt schon fast drei Wochen in Russland sind, wird es jetzt aber wirklich höchste Zeit um unseren neuen Bericht online zu stellen, was hiermit geschehen ist. Viel Spaß beim lesen!


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Russland 19.07. - 17.08.2004
Finnland 17.08. - 23.08.2004
Estland 23.08. - 27.08.2004
Lettland 27.08. - 30.08.2004
Litauen 30.08. - 05.09.2004
Polen 05.09 - 08.09.2004

Rückkehr nach Deutschland bzw. Berlin und Augsburg



Russland

Moskau - 12.08.2004

Holzhaus in Irkutsk
Holzhaus in Irkutsk

Unsere Zugfahrt von Ulan Bator nach Irkutsk dauerte nicht 20 Stunden, wie wir gedacht hatten (Angaben im Reiseführer), sondern fast doppelt so lange! Der Grund hierfür war, dass der tägliche Zug Ulan Bator - Irkutsk nur aus zwei Kurswagen besteht, die an Lokalzüge angekoppelt werden: allein zwischen dem Abkoppeln vom mongolischen und dem Ankoppeln an den russischen Zug vergingen gut 12 Stunden. Das Gute daran war, dass wir im stehenden Zug besser schlafen konnten als im fahrenden. Die Aus- und Einreiseformalitäten dauerten ca. 3 Stunden und verkürzten uns die Wartezeit.

Irkutsk
Auch solche schönen Häuser gibt es in Irkutsk

In Irkutsk angekommen, fuhren wir mit dem Sammeltaxi zum ersten und einzigen Backpacker-Hostel ("Baikalhostel"), wo wir morgens um 8 Uhr ankamen und erfuhren, dass unsere Reservierung trotz E-Mail-Bestätigung nicht gefruchtet hat. Auch sonst glich das Hostel weniger der im Internet angepriesenen Infoquelle (niemand sprach genug Englisch), als vielmehr einer Selbsthilfegruppe enttäuschter Rucksacktouries. Wir suchten das Weite und fanden im Arena-Hotel beim Zirkus ein nettes Zimmer, welches gegenüber dem Hostel einige Vorteile hatte: für das gleiche Geld (22 Euro) bekamen wir statt Schlafsaalbetten am Stadtrand ein hübsches Doppelzimmer im Stadtzentrum! Hier gab es zahlreiche Straßencafes und Biergärten, wo wir bis spät in die Nacht Baltika No. 3 und Schaschlik konsumierten, eine Fußgängerzone, in der zur Musik des türkischen Popidols "Tarkan" Döner Kebap verkauft wurde und einen großen Markt, auf dem es nicht nur alles, sondern sogar handgepflückte Blau-, Him-, Johannis- und Erdbeeren von Babuschkas zu kaufen gab! Auch der sibirische Sommer hat uns positiv überrascht: meistens schien die Sonne, Regen fiel nur wenig und schön warm war es auch. Das war gut für's Auge, denn die sehr knappe Sommerkleidung der russischen Frauen ist wirklich sehenswert.

Sommerbierzelt in Irkutsk
Sommerliches Bierzelt in Irkutsk

Mit der "Raketa", einem alten russischen Tragflächenboot, fuhren wir in 10 Stunden die über 600 km bis zum Nordende des Baikalsees. Je weiter nördlich wir kamen, um so wilder und dichter wurden die dunkelgrünen Wälder am Ufer, über denen schneebedeckte Berggipfel aufragten. Zwei Mal hielten wir an, um irgendwelche Waren an kleine Fischerboote zu übergeben, die diese dann zu den malerisch an Kiesstränden gelegenen Hütten brachten.

Noch am Hafen von Severobaikalsk wurde uns ein Zimmer bei einer Familie angeboten und mit unserem russischen Lieblingsauto, einer "Wolga", fuhren wir zu einem netten sibirischen Holzhaus, welches zwischen dem Stadtzentrum und dem Baikalsee lag. Noch gar nicht ganz angekommen, wurden wir von der in einem blauen Bademantel steckenden Hausmama in die Sauna entführt, die sich in einem Schuppen im Garten befand. Sie wurde mit einem Holzofen geheizt, der schon den Vorraum auf mindestens 60 Grad aufheizte. Drinnen war es schier unerträglich - um uns abzulenken, schlugen wir uns gegenseitig etwas mit den bereitgestellten Birkenblätterbüscheln auf den Rücken, denn das macht man so in einer sibirischen Sauna. Nach zwei mörderischen Aufgüssen rissen wir sämtliche Türen auf, um nicht den Hitzetod in Sibirien erleiden zu müssen. Zum Glück waren unsere Gastgeber nicht anwesend, sonst hätten sie uns wohl ausgelacht :-)

Datschen in Serverobaikalsk am Baikalsee
Datschen in Severobaikalsk am Baikalsee

Am nahen Ufer des Baikalsees gab es lustige, etwas planlos zusammengezimmerte Wochenenddatschen, die über je einen eigenen Bootssteg und oft auch über einen Gemüsegarten verfügten. Das Ganze erinnerte uns etwas an deutsche Schrebergärten, nur dass es hier nicht so spießig ist. Ein kleines Stück weiter gab es einen Badestrand mit Bänken und Umkleidekabinen und einige verrückte Sibirier badeten sogar im 10 Grad kalten Baikalsee. Wir begnügten uns damit, auf einem der angeschwemmten Baumstämme zu sitzen, Baltika Troika zu trinken und über das tiefblaue Wasser zu schauen.

Markthalle in Severobaikalsk
Das Gebäude des zentralen Marktes in Severobaikalsk. Zumindest im Sommer - als wir da waren - kann man hier fast alles kaufen.

Der Ort Severobaikalsk selbst sah aus wie ein Freiluftmuseum für Sowjetarchitektur. Erst vor 30 Jahren für die hier vorbeiführende Baikal-Amur-Eisenbahnlinie erbaut, waren die Gebäude noch alle recht gut in Schuss und deshalb kaum verändert. Wir fanden zwar kein richtiges Restaurant, aber dafür ein Cafe, welches Snacks verkaufte und abends wurde sogar unter freiem Himmel zwischen den Stühlen zu lauter russischer Popmusik getanzt.

Die Umgebung von Severobaikalsk schauten wir uns auf dem Sonntagsausflug mit unserer Gastfamilie und deren Wolgalimousine an. Als erstes haben wir die tolle Bahnlinie besichtigt, als zweites Severobaikalsk von oben angeschaut, als drittes die Oma zum Bruder gebracht und dann an einem schamanischen Ort (Stein und Stoffstreifen in Büschen) angehalten, wo wir ein paar Kopeken geopfert und unser erstes Gläschen selbstgebrannten Brandy getrunken haben. In Baikalskoe wurden wir für 2 Stunden abgesetzt und nutzten diese Zeit für einen Spaziergang über die Klippen am Ufer des Baikalsees und einen Rundgang durch den Ort, wo es neben einer Holzkirche auch ein paar sehr schön bemalte typisch sibirische Blockhütten mit liebevoll angelegten Vorgärten gibt.

Holzhaus in Baikalskoe
In Baikalskoe stehen einige so schön bemalte Holzhäuschen wie dieses.

Der zweite Teil des Tages bestand aus einem Besuch von Bekannten, die Parkwächter an einem kleinen Badesee waren. Neben zahllosen campierenden Wochenendausflüglern gab es hier auch mehrere Jugendcamps mit Plastikfolien über den Zelten und Seilgarten in den Bäumen. Der Grund für die Beliebtheit dieses nicht weit vom Baikalsee entfernten Gewässers war wohl, dass das Wasser in diesem See fast 20 Grad warm war - für Sibirien somit ein echtes Thermalbad. Wir verbrachten unsere Zeit nicht mit Baden, sondern trotztem dem einsetzenden Nieselregen mit Brandy... Die Freunde unserer Gastfamilie freuten sich, ihren deutschen Wortschatz ausgraben zu können und beeindruckten uns mit "Der Bär geht in die Stadt", "Ich liebe dich", "Hände hoch!" und dem unvermeidlichen "Eins, zwei, Schnaps".

Novosibirsk
Der Eingang zum "Centralny Park" in Novosibirsk. Hier kann man gemütlich im Biergarten sitzen und den Leuten beim Flanieren zusehen.

Nach 40 Stunden Zugfahrt kamen wir blöderweise morgens um 5 Uhr in Novosibirsk an. Diese frühe Ankunftszeit war aber das Einzige, was nicht so schön war, denn ansonsten hat uns die Stadt sehr gut gefallen. Da es hier keine besonderen Sehenswürdigkeiten gibt, mussten wir kein Sightseeing-Programm absolvieren, und hatten so viel Zeit in gemütlichen Biergärten zu sitzen und riesiges, gut gewürztes Schaschlik zu essen. Das Wetter zeigte sich von seiner freundlichsten Seite und es war richtig heiß. Für uns optimal, um einen Besuch von Akademgorodok mit einem Ausflug ans Ob-Meer zu verbinden.

Sibirisches Dorf
Ein typisch sibirisches Dorf irgendwo an der Transsib-Strecke zwischen Novosibirsk und Moskau.

Akademgorodok wurde als geheime Wissenschaftlersiedlung für die Akademikerelite der UdSSR gebaut und besteht aus unspektakulären Wohnblocks und einigen Institutgebäuden. Die einstündige Fahrt von Novosibirsk hierher hat sich aber trotzdem gelohnt, denn das nahe "Ob-Meer", ein riesiger Stausee hat einen riesigen Sandstrand an dem Leute badeten, campierten, Schaschlik grillten, Bier tranken, sich von der Sonne verbrennen ließen, Beachvolleyball spielten, Wasserski fuhren und auf großen und kleinen Booten über den See schipperten, der so riesig ist, dass wir das gegenüberliegende Ufer nicht mehr sehen konnten.

Wir hatten hohe Erwartungen an Jekaterinburg, die leider allesamt nicht erfüllt wurden. Irgendwie gefiel uns die Stadt einfach nicht so recht und das kalte Wetter tat sein übriges. Das vergrößerte unsere Vorfreude auf Moskau noch mehr!

Und Moskau hat uns nicht enttäuscht! Details dazu in Kürze :-)

St. Petersburg - 16.08.2004

Gleich nachdem wir unser Zimmer am Stadtrand von Moskau bezogen hatten (weil es da billiger ist), wollten wir statt mit der Metro mit dem Trolleybus ins Zentrum fahren, um ein bisschen was von der Stadt zu sehen. Vorbei an endlosen Wohnsilos, wogegen Berlin Marzahn blass aussieht, fuhren wir zur Endhaltestelle. So hatten wir uns die Metropole Moskau nicht vorgestellt - kaum zu glauben, dass hier, nur 1 km von den monotonen Betonkästen entfernt der prächtige Kreml sein sollte. Etwas verwirrt latschten wir los und als wir nach wenigen Metern auf eine stadtautobahnähnliche Straße stießen, dämmerte uns, dass hier etwas faul sein musste. Wir hatten den Bus in die falsche Richtung genommen, denn auf den Schildern steht immer nur, dass der Bus von A nach B und zurück fährt - die Richtung muss man schon selber wissen!

St. Basilus Kathedrale Moskau
Die St. Basilus Kathedrale am Roten Platz in Moskau.

Als wir den Weg in die Innenstadt schließlich gefunden hatten und durch das Tor am Nordwestende des Roten Platz die St. Basilus Kathedrale mit ihren bunten Zwiebeltürmchen erblickten, war Moskau wie wir es uns vorgestellt hatten und wie man es aus Film und Fernsehen kennt. Da wir nach drei Wochen Russland schon gut sozialisiert waren, suchten wir uns einen Straßenstand, wo wir zwei Flaschen Bier kauften. Lustig war, dass der Bierpreis normal war, aber für die Touristengetränke der Ausländer (Cola, Fanta, Sprite und Wasser) ein "Roter Platz Zuschlag" verlangt wurde. Wir waren erstaunt, wie klein und bescheiden das rote Mausoleum des großen Kommunistenführers Vladimir Iljitsch Lenin ist und wie gut es sich in die historische Architektur des Roten Platzes einfügt. Wir sind nicht reingegangen, weil wir uns stundenlanges Anstehen ersparen wollten und es in Russland noch genügend Lenin-Statuen gibt, die zeigen, wie er aussieht.

Den Kreml haben wir uns schon angesehen und uns dafür auch eine Stunde lang angestellt. Wir fanden, dass es sich nicht gelohnt hat, denn für die Öffentlichkeit zugänglich sind nur ein Gebäude und ein paar für uns Banausen von innen immer gleich aussehende Kirchen. Wir zogen es vor, durch den VDNH Park zu wandeln, der angelegt wurde, um die Errungenschaften des Sowjetreiches zu glorifizieren. Als erstes sahen wir ein riesiges Monument, welches zu "Ehren der Kosmosbezwinger" errichtet worden war. Es besteht aus einer silberfarbenen Rakete, welche einen riesigen in der Sonne golden glänzenden Schweif hinter sich herzieht, der die Stütze bildete. Am Sockel der insgesamt 96 Meter hohen Konstruktion befinden sich Reliefs, die glückliche und erfolgreiche Wissenschaftler, Arbeiter und Bauern zeigen.

Im Park selbst befinden sich reich verzierte Gebäude, die uns teilweise an griechische Tempel erinnerten und manchmal noch die Namen ehemaliger Sowjetrepubliken, wie z.B. Ukraine, tragen, meistens aber nur noch mit "Pavillon Nr. XY" beschriftet sind. Am besten gefiel uns ein großer runder Brunnen, von dessen Mitte uns glücklich riesige goldene Statuen von Bauersfrauen mit Kornähren unter den Armen anlächelten. Den Kontrast hierzu bildet ein Platz am gegenüberliegenden Ende des Parks auf dem eine riesige Rakete und zwei Flugzeuge stehen. In den angrenzenden großen Gebäuden - ehemals wohl als Ruhmeshallen genutzt - werden jetzt Gartengeräte und Blumensamen verkauft. In den prächtigen Pseudotempeln gibt es Unterhaltungselektronik und billigen Ramsch zu kaufen - 1:0 für den Kapitalismus!

Der berühmte Gorki Park bot Unterhaltung anderer Art. Vom großen, aber so altersschwachen Riesenrad, dass nur jede 2. Gondel besetzt werden durfte, hatten wir einen super Ausblick über Moskaus Innenstadt. Ob wir die Popcorns aus Gewichtspargründen zurücklassen mussten, oder damit wir niemanden damit erschlagen ist uns bis heute schleierhaft, jedenfalls scheinen sie ein echtes Sicherheitsrisiko dargestellt zu haben. Nicht ganz so antik waren die zahlreichen aus Deutschland importierten Fahrgeschäfte an denen immer noch riesige blinkende Reklametafeln für z.B. "Fliegenden Teppich", "Traumschiff" und "Wellenflug" warben, sehr lustig mitten in Moskau!

Zum Essen gingen wir nicht selten ins schöne GUM-Kaufhaus am Roten Platz, hier gibt es nämlich Fastfood-Restaurants, die Pizza, Pasta und Hänchenteile zu bezahlbaren Preisen in angenehmer Umgebung anbieten - im recht teueren Moskau nicht selbverständlich. Das normalerweise doch recht öde Metro fahren wird in Moskau immer wieder durch sehenswerte U-Bahnstationen aufgelockert in denen Mosaike und Gemälde die Geschichte des Sowjetreiches und/oder die Errungenschaften der sozialistischen Gesellschaft darstellen. Lieblingsmotive: Lenin in allen Posen, Soldaten die die Nazis besiegen, glückliche Bauern auf dem Felde, fleißige Arbeiter an modernen Maschinen und kluge Ingenieure, die Raketen und Flugzeuge erschaffen. Als Highlight Moskaus haben uns verschieden Leute noch einen Besuch der im Reiseführer als "not to be missed" betitelten Tretjakov-Galerie wärmstens empfohlen. Unser Lieblingsmotiv zwischen den zahllosen Portraits, Landschaftsmalereien und der vielen Kirchenkunst war ein schlichter schwarzer Pfeil auf weißen Hintergrund, unter dem in schwarzen Lettern das Wort "EXIT" prangte...

Im nahe gelegenen Skulpturenpark gab es einige Statuen, die nach dem politischen Umbruch aus dem Stadtbild entfernt worden waren. Sehr beeindruckend fanden wir eine Installation, in deren Zentrum eine leicht ramponierte Stalin-Statue steht: rechts und links davon befinden sich spindeldürre gebeugte kleine Figuren mit verzerrten Gesichtern und im Hintergrund sind gesichtslose Steinköpfe hinter Stacheldraht und Eisengittern zu einer Mauer aufgeschichtet. Gleich vor dem Park steht am Anfang einer Flussinsel ein riesiges stilisiertes altes Segelschiff, auf dem ein im Verhältnis viel zu großer Kapitän am Steuer steht, der eine in der Sonne funkelnde goldene Schriftrolle in der Hand hält. Die schiere Größe des weithin sichtbaren Objekts ist einfach faszinierend!

St. Petersburg
Das schöne St. Petersburg bei nicht ganz so schönem Wetter.

Am Freitag, den 13., kamen wir in St. Petersburg an. Wir froren bei nasskaltem Wetter und erfuhren, dass unser gebuchtes und angezahltes Doppelzimmer in der Jugendherberge - warum auch immer - nicht frei war. Es bedurfte einer Stunde hartnäckiger Verhandlungen, ehe wir unsere in Moskau angezahlten 25 Euro zurückbekamen. Und so schliefen wir in St. Petersburg nicht wie geplant für 25 Euro, sondern für 34 Euro in einem Hotel am Stadtrand in einem Zimmer, wo sich Bad und Dusche am anderen Ende des Ganges befanden. "Wer reisen will, muss leiden", war Mario's Kommentar :-(

In der Innenstadt gab es so viele Touristen, wie wir seit der goldenen Woche in China nicht mehr auf einem Haufen gesehen haben. Die Sehenswürdigkeiten in St. Petersburg sind vor allem die von hübschen Kanälen durchzogene malerische Altstadt mit schönen alten Häusern und Kirchen und eine alte Festungsanlage mit mehreren Museen und einem Sandstrand vor den Mauern. In der exklusiven Hauptstraße der Stadt reihen sich Boutiquen, teure Cafes und Souvenir-Antik-Läden aneinander. Vielleicht nicht zuletzt wegen des schlechten Wetters gibt es hier aber eine gute alternative Club- und Kneipenszene und z.B. im "Moloko-Club" genossen wir den lauten Sound einer verdammt guten russischen Punk-Rock-Band - endlich mal wieder gute Musik!

Gibt es eigentlich die Rockfabrik in Augsburg noch?

Wegen sich häufender Nachfragen bezüglich des Zeitpunktes unserer Heimkehr haben wir unsere Reiseplanung fortgeschrieben und die aktuelle Hochrechnung vom 16.08.2004 besagt, dass wir am Samstag, den 13. September in Augsburg Hauptbahnhof eintreffen werden.

Finnland

Helsinki - 23.08.2004

Taxiboot in Helsinki
Im Hafen von Helsinki gibt es solche lustigen Taxiboote.

Wir schöpften unser 30-tägiges Russlandvisum voll aus und am 17. August nahmen wir den Nachmittagszug nach Helsinki. Der Zug war von der finnischen Eisenbahn, fuhr für uns unglaublich schnell und als wir Finnland erreicht hatten hielt der Zug auch nur noch an den im Fahrplan gelisteten Stationen - wow! Antti, den wir in Kirgistan vor gut einem Jahr kennengelernt hatten, holte uns vom Bahnhof ab und wir begossen unser Wiedersehen mit ihm und Laura mit finnischem Olut (Bier) und erzählten uns Reisegeschichten, denn die beiden waren frisch von einem zweimonatigem Südamerikaurlaub zurückgekommen.

Am Nächsten Tag spazierten wir durch Helsinki. Die Altstadt ist geprägt von herrschaftlichen, geschmackvoll renovierten Häusern und uns gefiel die lockere Atmosphäre mit zahlreichen Straßencafes und Parks, in denen bei schönem Wetter viele Leute die Rasenflächen bevölkern. Im Stadtzentrum gibt es mehrere Häfen und es hat uns Landratten viel Spaß gemacht, den riesigen Passagier- und Autofähren, Schnellbooten und Segelschiffen dabei zuzusehen, wie sie zwischen den vor der Küste liegenden kleinen Inseln hindurchfahren, auf denen sich z.B. der Zoo und eine alte Festungsanlage befinden.

Segeltörn
Urlaub pur: ein Segeltörn an der finnischen Küste entlang.

Zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren haben wir wieder mit Euro bezahlt - für uns kein echter Vorteil, denn wir mussten wie bei jeder neuen Währung die Münzen umdrehen, um ihren Wert herauszufinden. A pro pos Geld: was die Kosten in Finnland angeht, waren wir auf das Schlimmste gefasst; da wir aber dank Laura und Antti keine Übernachtungen bezahlen mussten, beschränkten sich unsere Ausgaben auf Bier (3-4 Euro für 0,4 Liter) in diversen Kneipen, die wir mit den zahlreichen netten Freunden unserer Gastgeber besuchten und Lebensmittel aus dem Supermarkt, welche zwar teuer aber nicht unbezahlbar sind.

Bei einem Finnlandurlaub darf die Sauna natürlich nicht fehlen und so verbrachten auch wir einen sehr gemütlichen Nachmittag in einer original finniscen Sauna mit Holzofenheizung in einem kleinen Wäldchen bei der Datscha von Antti's Vater, wo wir anschließend noch Würstchen grillten und ein paar Bier vernichteten.

Mit Laura's Vater (ja, es kümmerten sich mindestens zwei Familien um uns) gingen wir auf einen dreitägigen Segeltörn und weil der Wind von Westen kam, segelten wir mit gut 8 Knoten nach Osten. Da die Sonne schien und wir uns um nichts kümmern mussten, war dies nach den faulen Strandaufenthalten in Indien das erste Mal wieder richtig Urlaub pur vom Reisealltag. Wir haben die Tage in Finnland mit Laura und Antti in vollen Zügen genossen und es wird wohl nicht unser letzter Besuch im hohen Norden gewesen sein.

Estland

Tallin - 26.08.2004

Das Schiff ist das beste Verkehrsmittel zwischen Finnland und Estland, denn im Sommer gibt es fast stündlich Expressfähren die für die Strecke Helsinki Tallin nur 1,5 Stunden benötigen und etwas über 20 Euro kosten. Da wir mehr Zeit als Geld haben, fuhren wir mit der großen Autofähre, die für diese Strecke drei Stunden benötigt und wir bezahlten statt 15 Euro nur 13,50 Euro, denn bei Tallink gibt es 10% Rabatt für ISIC-Card Inhaber :-)

Altstadt von Tallin
Blick über die Altstadt von Tallin.

Der Grenzübertritt war für uns als solcher fast nicht zu erkennen, denn die Passkontrolle war ungewöhnlich schnell und es gab keine Zollkontrolle ? EU ist toll! Da Tallin inzwischen ein recht teures Pflaster ist, nahmen wir uns ein Zimmer im Vorort Mahtra, wo sich in einem der vielen Wohnsilos ein günstiges Hostel befindet und wo mehr russisch als estnisch gesprochen wird.

Gar nicht russisch hingegen ist Tallins Altstadt, die uns trotz der Touristenmassen gut gefiel. Dies lag wohl nicht zuletzt daran, dass die Kopfsteinpflasterstraßen und -gassen verkehrsberuhigt sind und es zumindest in den Randgebietenrecht geruhsam zugeht. Und auch das Wetter zeigte sich von seiner freundlichsten Seite, zwar war die Luft mit 13 Grad recht kühl, da jedoch die Sonne schien, war das T-Shirt genau die richtige Bekleidung für Straßencafe und Biergarten.

Wir staunten nicht schlecht, wie gründlich und schnell sich die Hauptstadt Estlands vom Sozialismus des Sowjetreiches erholt hat. Anders als in Russland sind hier die Häuser fast alle gut in Schuss und auf den schlaglochfreien Straßen fahren kaum noch alte russiche Autos. Die Polizei ist hier nicht nur zum Bestechungsgelder einkassieren da, sondern sorgt dafür, dass z.B. die Verkehrsregeln eingehalten werden. Was uns wirklich fasziniert, ist, dass man hier bei einem Zebrastreifen einfach über die Straße gehen kann und die Autos halten an, obwohl sie stärker sind als wir!

Ein besonderes Erlebnis war für uns auch, durch die hypermodernen Supermärkte zu schlendern. Schon am Eingang vermissten wir den netten Herrn in Uniform, der uns darauf hinweist, dass wir unseren Daypack irgendwo draußen deponieren müssen, und auch die Angestellten, die sich ? wohl wegen Diebstahlverhinderung - 5 cm neben einen bzw. direkt vors Warenregal stellen, gingen uns ab. Völlig ungestört spazierten wir durch die hellen freundlichen Verkaufsräume und das riesige, gut sortierte Warenangebot verschlug uns fast den Atem.

Für unsere Resozialisierung und Gewöhnung an den deutschen Alltag ist es außerdem sehr hilfreich, dass sich in unserem Zimmer ein Fernseher befindet, mit dem wir einige deutsche Fernsehprogramme empfangen können. TV-Total und diverse Talkshows machen uns klar, wie ernst die Lage in Deutschland wirklich ist. Nur gut, dass das estnische Bier so lecker schmeckt, denn so können wir uns genussvoll Mut antrinken um die Heimreise fortsetzen zu können!

Dank eines aufmerksamen Lesers (ja, die gibt es wirklich) wissen wir inzwischen auch, dass unser voraussichtlicher Heimkommtermin der 13.09.04 nicht ein Samstag, sondern ein Montag ist!

Lettland

Riga - 29.08.2004

Riga
Die schöne Altstadt von Riga - bei nicht ganz so schönem Wetter.

"Mostly harmless."

Nein, das ist bös, Riga gefällt uns sehr gut, es ist viel mehr eine Metropole als Tallin und das hat den für uns angenehmen Effekt, dass nicht alles auf Touristen ausgerichtet ist und man hier ganz normales Leben findet.

Die Altstadt hier ist (mal wieder) sehr schön renoviert, aber nach so viel Städtetourismus müssen wir feststellen, das auch schöne Häuser halt nur Häuser sind... Sehr erfreulich ist, dass Riga recht günstig ist, so kostet z.B. ein Bier in einem netten Biergarten meist nicht mehr als einen Lat (ca. 1,50 Euro) und für unser zugegebenermaßen recht einfaches aber schön zentral gelegenes Doppelzimmer bezahlen wir unter 20 Euro.

Wer wie wir von den Leistungen des Lonely Planet (einst bester Reiseführer auf dem Markt) nicht so überzeugt ist und/oder Geld sparen will, der sollte sich mal den "inyourpocket guide" anschauen. Auf der Website kann man z.B. die Reiseführer für die Hauptstadte der Balten-Staaten als PDF- Dokument umsonst runterladen. Alternativ kann man diese jedoch auch vor Ort günsig kaufen, da es nur ein kleies Heftchen ist. Einziger Nachteil daran, es gibt diese Heftchen nur für wenige meist größere Orte.

Litauen

Vilnius - 04.09.2004

Kuhrische Nehrung
Die Kurische Nehrung ist ein schönes Stück Welt.

In Litauen, dem südlichsten Baltenstaat, machten wir mal alles anders. Statt von Riga gleich direkt in die nächste Hauptstadt, Vilnius, zu brettern, machten wir noch ein bisschen Urlaub an der Ostsee. Bei Regen und bei Sonnenschein spazierten wir über die Kurische Nehrung, sammelten und aßen unglaubliche Mengen an Heidelbeeren im Wald, stapften über die Sanddünen und verzichteten auf ein Bad in der Ostsee, denn wir finden 17 Grad Wassertemperatur bei 19 Grad Lufttemperatur nicht sehr einladend. Einige Verrückte sahen das jedoch anders und plantschten nicht selten splitternackt erstaunlich lange in den schönen Wellen.

Vilnius
Vilnius von oben.

In Nida, dem südlichsten Ort auf der Kurischen Nehrung, war die vorherrschende Sprache auf den Straßen deutsch, was für uns recht komisch war, da wir ständig anderen zuhören mussten ("Mit welchem Reiseveranstalter sind Sie da?") und uns bei Gesprächen belauscht fühlten. Doch die Anwesenheit der vielen Deutschen hatte für uns auch einen gewaltigen Vorteil: auf den deutschen Speisekarten konnten wir herausfinden, dass "Cepelinas" längliche Kartoffelknödel mit Hackfleischfüllung sind; und weil sie uns so gut schmecken, essen wir diese litauische Spezialität jetzt fast jeden Tag.

Wie es sich für eine baltische Hauptstadt gehört, hat auch Vilnius eine schöne renovierte Altstadt und fast nichts erinnert mehr an die Sowjetzeit - kein Wunder, denn überall wird fleißig gebaut.

Polen

Warschau - 07.09.2004

Wir waren sehr gespannt auf Polen. Schon bei der Busfahrt nach Warschau fiel uns auf, dass es hier ganz anders aussieht als in den Balten. Statt großer Wälder gab es hier ausgedehnte Agrarflächen, die mitunter noch mit dem Pferd vor dem Pflug bearbeitet wurden. Die Dörfer waren nicht malerisch wie in Russland und den baltischen Ländern, sondern bestanden aus kleinen Betonklötzen (= Einfamilienhäuser) mit zumeist spießigen Vorgärten. Dafür gab es viele Kirchen und wer einmal Leute vor den Kirchen knien sehen will, sollte nach Polen fahren.

Die schöne Altstadt von Warschau.

Auch Warschau war erst einmal ernüchternd. Als wir an den Vororten mit Obi, Carrefour und Mediamarkt vorbei waren, kamen wir an einem ziemlich fertigen Bushof mitten im Nichts an. Zum Glück hatten wir an der Grenze 20 Euro gewechselt, denn Wechselstube und Touristeninformation waren sonntagsbedingt schon um 17 Uhr geschlossen. Wir fanden jedoch ein kostenloses Heftchen, in dem sich ein Innenstadtplan und die Kurzbeschreibung einiger Hostels befand - da ist man ganz schön aufgeschmissen, wenn man in einer fremden Stadt ohne Reiseführer und sonstige Infos ankommt. Mit einer am Kiosk erstandenen Telefonkarte klärten wir jedoch schnell das Übernachtungsproblem und ab ging es in die Stadtmitte.

Hier gefiel es uns, entgegen unserem ersten Eindruck, sehr gut. Bis auf den kleinen, schnieke renovierten Altstadtkern dominiert in Warschau normales Großstadtleben, was uns bekanntlich besser gefällt als überlaufene Touristenattraktionen. Wir schlossen uns den kaufwütigen Massen an und erstanden bei H+M einen Pulli, 3 Paar Socken und 10 Haargummis. Mit dem Wetter hatten wir ein Riesenglück, der Himmel war blau und es war warm, so dass wir erstmals seit Moskau wieder in T-Shirt, kurzer Hose und Sandalen rausgingen und trotzdem in den Straßencafes schwitzten.

Aber Warschau ist nicht nur eitel Sonnenschein. Die Altstadt war voll mit gigantischen Leinwänden, die die Verwüstungen des Krieges und ausgemergelte Gestalten zeigten. Erst später kamen wir darauf, dass genau vor 60 Jahren der Warschauer Aufstand mit seinen unzähligen Toten stattgefunden hat. Die Bilder von Leid und Zerstörung haben uns sehr betroffen gemacht und angesichts der anhaltenden Kriegshandlungen im Irak, an denen bekanntlich auch Polen beteiligt ist, fragen wir uns, ob die Menschheit denn nie lernt, dass Angriffskrieg, unter welchem Vorwand auch immer, als "politisches" (Macht-) Instrument ins Chaos führt und Probleme nur vermehrt statt sie zu lösen.

Übrigens: am Samstag, den 11.September schauen wir mal wieder in Augsburg vorbei. Damit schließt sich der Kreis und man wird sehen - es wird weitergehen...



Rückkehr nach Deutschland bzw. Berlin und Augsburg


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